Ich fahre weiter an der Südküste
des Issyk-Kul und es ist noch einsamer, als auf der nördlichen Uferstraße.
Ich sehe herrliche Strände und da es tagsüber auch noch schön
warm ist, bin ich mal wieder baden. Außerdem stelle ich mit großer
Freude fest, daß mein Höhenmesser genau funktioniert!
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Er zeigt am Wasserspiegel die korrekte Höhe von 1.608m an, was
aufgrund der starken Wetter- und Höhenänderungen der letzten
Tage keinesfalls selbstverständlich ist. Das Bergpanorama ist wunderbar
und aufgrund der ebenen Uferstraße ist es eine Genußfahrt.
In Barskoon biege ich Richtung Kara-Say ab, da ich von dort nach Naryn
will. Die Straße ist eine gut gewartete Schotterpiste. Kein Wunder,
führt sie doch zu einer Goldmine, die von der wichtigsten Firma des
Landes abgebaut wird. Große amerikanische Trucks fahren im Konvoi
auf der Piste und es ist beeindruckend, diese Giganten zu sehen. Der Paß
ist noch weit und ich bin gesundheitlich leicht angeschlagen. Ich begegne
einem berittenen Schweizer Ehepaar und deren Führer, die nach
ihrem zehntägige Abenteuer zu Pferde in den Bergen zurück in die
Zivilisation reiten. In der zweiten Nacht auf dem Weg zum Paß - in
etwa 3.100m - beginnt es zu schneien, wie ich am Morgen beim Aufstehen mit
Schrecken feststelle!
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Am dritten Tag und bei bis zu 19% Steigung komme ich im tiefsten Winter
oben am 3.819m hohen Barskoon-Paß an.
Bei Schneesturm durchfahre ich eine
Hochebene in etwa 3.700m.
Die die Straße umgebenden Bergseen kann ich aufgrund
der Witterung leider mehr erahnen als sehen. Später verlasse ich
die Piste, die zur Goldmine führt. Diese "Straße" wird im Gegensatz
zu der wirtschaftlich wichtigen Piste nicht gewartet. Es ist eine unberührte
Winterlandschaft, deshalb kann ich praktisch überhaupt nicht fahren.
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Wie aus dem Nichts taucht ein Kirgise auf seinem Pferd auf und treibt einige
Kühe vor sich her. Er will damit in zwei Tagen auf dem Martk in Barskoon
sein. Doch ich komme in dem Schnee überhaupt nicht vorran. Mehrmals
stürze ich leicht und als ich für eine Pause vom Rad absteige
und feststelle, daß das Rad im Schnee stehen bleibt, entschließe
ich mich, dort mein Zelt für die nächste Nacht aufzustellen (in
ca. 3.800m). Nach einer Nacht mit Schneesturm weiß ich, warum mein
Zelt "Iglu" heißt. Bereits in der Nacht habe ich mich entschieden,
nicht weiter in die Berge hineinzufahren (denn auf dem 4.021m hohen Suek Paß soll der Schnee bereits hüfttief liegen) sondern auf der selben Strecke wieder
zum Issyk-Kul zurückzufahren. Das Wetter ist im Gegensatz zum Vortag
sehr schön: sonnig und windstill. Ich mache zahlreiche Aufnahmen der
phantastischen Winterlandschaft. Ich fahre durch die Hochebene und sehe
die Seen, die ich tags zuvor eher erahnte. Am Paß muß ich
mein Fahrrad aber erst noch abfahrttauglich machen. Meine Bremsen sind eingefroren
und vor der Abfahrt entferne ich das Eis an den Bremsbacken. Die Abfahrt
geht rasant zur Sache. Ich donnere den Paß mit bis zu 62 km/h herunter.
Ein Durchschlag zwingt mich zu einer Reparaturpause und in weniger als drei
Stunden bin ich vom tiefsten Winter in den Sommer gefahren. Aufgrund der
genialen Abfahrt kam ich aber nicht zum Fotografieren. Doch Abends hole ich
das bei einem schönen Sonnenuntergang nach. Der schönste Urlaubstag
geht mit einem Bad im Issyk-Kul zu Ende.
Ich fahre am südlichen Ufer weiter bis kurz vor
Balykchy, übernachte zum letzten Mal am Issyk-Kul und habe am Morgen viele Gäste an meinem Zelt. Weiter fahre ich westwärts, denn ich will noch zum Song-Kol.